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Mea Shearim – ein orthodoxes Viertel in Jerusalem

Das Jerusalemer Stadtviertel Mea Shearim liegt außerhalb der Altstadt, lässt sich von dort aber leicht zu Fuß erreichen. Touristen empfinden das Viertel als exotisch, während sich die Bewohner durch diese in ihrem Alltagsleben eingeschränkt fühlen. Da sie den Besuch ihres Wohngebietes nicht unterbinden können, veröffentlichen sie an allen Zugängen auf Plakaten Verhaltensregeln, deren Einhaltung ein friedliches Miteinander gewährleistet.

Umgangssprache Jiddisch

Bei jedem Besuch in Mea Shearim ist daran zu denken, dass die dort zu sehenden Menschen im Viertel tatsächlich leben und nicht als Darsteller eines Freiluftmuseums engagiert wurden. Das Auftreten großer Gruppen in Mea Shearim ist nicht erwünscht. Wer alleine oder als Paar durch das Viertel wandert, erweckt nach Möglichkeit den Eindruck eines Spaziergängers, auch wenn die Attraktivität des Stadtviertels für Touristen tatsächlich durch die Lebensweise der Einwohner erklärbar ist. Die meisten Einwohner Mea Shearims betrachten Hebräisch als ausschließlich für das Gebet geeignete Sprache und sprechen untereinander und auch mit Touristen Jiddisch, was zumindest für süddeutsche Besucher die Verständigung in den Geschäften erleichtert.

Kleidungsvorschriften

Innerhalb des Viertels Mea Shearim gelten strenge Bekleidungsvorschriften. Diese besagen, dass Frauen keine Hosen tragen dürfen. Der Rock muss die Knie bedecken, des Weiteren dürfen weder Ellbogen noch Fußknöchel und selbstverständlich keine Brustansätze zu sehen sein. Die für Männer geltenden Kleidungsregeln werden nicht genau formuliert, hinsichtlich der zu bedeckenden Körperteile sind sie mit denen für Frauen vergleichbar. Zusätzlich wird von ihnen das Tragen einer Kopfbedeckung gewünscht. Absolut tabu sind in Mea Shearim sichtbar getragene christliche Symbole wie Kreuze. Wenn Christen das Viertel besuchen und religiösen Schmuck tragen, können sie diesen wahlweise abnehmen oder unter ihrer Oberbekleidung verbergen. Dieselben Regeln gelten grundsätzlich auch für Symbole anderer nichtjüdischer Religionen. Zusätzlich dulden die Einwohner Mea Shearims keine staatlichen Symbole Israels, so dass auch Taschen mit der Abbildung der israelischen Flagge dort nicht erwünscht sind. Die Begründung für diese einige Besucher überraschende Anordnung lautet, dass nur der Messias das Recht zur Wiederbegründung des Staates Israel habe.

Mea Shearim

Mea Shearim ©iStockphoto/MariaDubova

Regeln des Schabbats beachten

In Mea Shearim gelten die Vorschriften für den Schabbat in der strengstmöglichen Auslegung. Wer von außerhalb in das Wohnviertel hineingeht, darf am Schabbat und an allen mit einem Arbeitsverbot verbundenen jüdischen Feiertagen keine Gegenstände sichtbar tragen. Selbstverständlich ist jede Form von Elektrizität während des Schabbats in Mea Shearim tabu, so dass dort während des jüdischen Ruhetages auch nicht telefoniert werden darf.

Wer als Gast in Mea Shearim die Regeln befolgt, erlebt ein seit 1880 bestehendes Stadtviertel mit einer weitgehend autark von der übrigen Stadt Jerusalem lebenden Bevölkerung. Er sieht auch relativ einheitlich gekleidete Menschen, deren Bekleidungsstil ebenso wie das stringente Einhalten der jüdischen Religionsvorschriften in einer betont orthodoxen Auslegung einen wesentlichen Bestandteil ihrer Identität bildet. Er erlebt eine zwar arme, aber auch kinderreiche und fröhliche Parallelgesellschaft in Jerusalem. Die Bevölkerung von Mea Shearim ist aber nicht typisch für das israelische Judentum, denn die strenge Orthodoxie stellt eine Minderheit dar.

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